Perspektivenwechsel mit Potenzial
Wie erleben Nutzer*innen die Bibliothek? Mit der Methode „Walk in your users’ shoes“ schlüpfen Mitarbeitende in ihre Rolle, um Abläufe und Services aus erster Hand zu verstehen und zu verbessern. Diese praxisnahe Methode, die aus der Benutzungsforschung stammt, wird bereits erfolgreich an den Universitätsbibliotheken der FU und HU Berlin eingesetzt – und nun auch an der TU Berlin.
Einfach mal Nutzer*in sein
Bei „Walk in your users‘ shoes“ verbringt das Bibliothekspersonal in der Rolle von Nutzer*innen einen halben oder ganzen Tag in der Bibliothek. Dabei gehen Mitarbeitende ihrer ganz normalen Tätigkeit nach. Auszubildende erhalten (Recherche-)Aufgaben. Ihre Erfahrungen halten sie in einem Fragebogen fest, der später anonymisiert ausgewertet wird. Wichtig ist: Ziel ist es nicht, das Personal zu testen, sondern die Bibliothek und ihre Services. Im Juni 2024 erhielten wir bei der Erstellung der Fragebögen wertvolle Unterstützung von Vanessa Kleinitz, die während ihres Referendariats ein Praktikum an unserer Bibliothek absolvierte. Basierend auf den Bögen der Freien Universität Berlin und der Staatsbibliothek zu Berlin entwickelte sie zwei angepasste Fragebögen (Fragebogen für Azubis | Fragebogen für Mitarbeitende) und schuf damit die Grundlage für die Einführung der Methode an der TU-Bibliothek.
Ein Tag, viele Erkenntnisse
Das Angebot richtet sich an alle – von neuen Mitarbeitenden bis hin zu Auszubildenden und Praktikant*innen. Auch Kolleg*innen, die bereits länger in der Bibliothek arbeiten, können teilnehmen.
Der Ablauf ist wie folgt:
- Vorbereitung: Einige Tage vor dem „Walk“ erhalten die Teilnehmenden ein Briefing mit Informationen, insbesondere zum Datenschutz. Anschließend wird der Fragebogen digital bereitgestellt.
- Der Tag selbst: Die Teilnehmenden erleben die Bibliothek aus Nutzer*innen-Sicht und dokumentieren ihre Eindrücke.
- Nachbereitung: Im De-Briefing werden die Beobachtungen gemeinsam angeschaut, und es gibt die Möglichkeit, gezielte Nachfragen zu stellen. Diese Nachbesprechung hat sich als sehr hilfreich erwiesen, um die Antworten auf einzelne Fragen besser nachvollziehen zu können.
Nachdem alle datenschutzrechtlichen Fragen geklärt waren, fiel im September der Startschuss. Seither haben vier Auszubildende und zwei Mitarbeitende aus dem Stammpersonal die Methode getestet – mit spannenden Ergebnissen.
Was der Perspektivenwechsel zeigt
Die ersten Auswertungen zeigen: Die Wahrnehmung der Bibliothek variiert stark. Während einige die Geräuschkulisse als angenehm empfinden, ist sie anderen zu laut. Eine klare Schwachstelle kristallisierte sich jedoch heraus: Die Informationen zum Umgang mit Jacken, Taschen und Getränken sind schwer auffindbar – weder auf der Website noch im Haus selbst sind sie ausreichend sichtbar. Sie stehen nur in der Rahmenbenutzungsordnung, die von den meisten Nutzer*innen nicht gelesen wird. Ein weiteres Problem: Im Laufe des Tages wird es oft schwierig, den Arbeitsplatz zu wechseln, da diese vollständig belegt sind.
Ein Projekt für das nächste Jahr wird sein, diese und andere Erkenntnisse systematisch auszuwerten und in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Abteilungen Verbesserungen herbeizuführen.
Der „Walk in your users’ shoes“ verdeutlicht eindrucksvoll: Nur wer für längere Zeit die Perspektive der Nutzer*innen einnimmt, kann den Service wirklich verbessern.
© UB TU Berlin
Jessica Ullmann