Users First

Reise-Eindrücke aus Dänemark

Eine vierköpfige Gruppe der Universitätsbibliothek (UB) der TU Berlin und der Fachbibliothek Die Bibliothek Wirtschaft und Management (DBWM) bewarb sich 2019 im Rahmen des TU-Programms Personalmobilität um die Finanzierung eines Fachaustauschs mit dänischen Bibliotheken. Nachdem die Pandemie die ersten Planungen über den Haufen warf, konnte die dreitägige Reise im September 2023 endlich unternommen werden. Die Gruppe setzte sich zusammen aus Dr. Anke Quast (Benutzungsleitung), Martha Ganter (Stabsstelle Innovationsmanagement und Kundenmonitoring) sowie Michaela Jobb und Anne Petit (Bibliotheksleitung und Benutzungsleitung der DBWM).

v.l.n.r.: Martha Ganther, Dr. Anke Quast, Jannik Mulvad, Michaela Jobb und Anne Petit

Im Zentrum des Interesses standen die Entwicklung von Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Perspektive von Nutzer*innen, die Interaktion der dänischen Bibliotheken mit ihren Zielgruppen, Lernraumgestaltung, Bibliothek als dritter Ort und nicht zuletzt die Vernetzung mit den dänischen Kolleg*innen. Dabei war es uns wichtig, neben den wissenschaftlichen Bibliotheken mit verschiedenen fachlichen Ausrichtungen auch die öffentlichen in das Besuchsprogramm aufzunehmen.

Die Reise führte uns zu vier Bibliotheken: Technical University of Dennark (DTU) Library, Copenhagen Business School (CBS) Library, Aarhus University Library, Dokk1 Aarhus, Copenhagen University Library/Faculty Library of Social Sciences. Die Kolleg*innen dort gewährten uns Einblicke in ihren Arbeitsalltag, bei dem die Nutzer*innen im Fokus stehen. Das spiegelt sich nicht nur in strategischen Entscheidungen, sondern ebenso im täglichen Arbeitsleben wider und findet sich u.a. im Motto der öffentlichen Bibliothek in Aarhus Dokk1: „Users First”. Hier wurde uns besonders deutlich, welche Auswirkungen dieser Fokus für sämtliche Arbeitsabläufe und auch die Raumgestaltung der Bibliothek hat. Der Großteil der Tätigkeiten der Mitarbeiter*innen findet dort im öffentlichen Bereich in Interaktion mit den Nutzer*innen statt, während der Büroraum für interne Meetings und konzeptionelle Arbeit genutzt wird. Die Teammitglieder, einschließlich der Direktorin, teilen sich ein gemeinschaftliches Großraumbüro, das an ein Start-Up erinnert. Diese offene Bürostruktur begünstigt kurze Abstimmungswege, unterstützt die Zusammenarbeit und schafft eine dynamische Arbeitsatmosphäre. Auch an der DTU-Bibliothek findet sich diese offene Bürostruktur, die informelle und spontane Zusammenkünfte der Mitarbeiter*innen an Stehtischen und Workbays in Bereichen vor den Büros fördert.

Die Universitätsbibliothek in Aarhus beeindruckt trotz ihres eher konventionellen Erscheinungsbilds mit ihrer dezidierten aktiven Einbeziehung ihrer Nutzer*innen bei Umgestaltungsmaßnahmen, was zu einem außergewöhnlichen “Library Garden” führte – einem sehr schönen, offenen und hellen Bereich mit Pflanzen und Sitzmöglichkeiten.

Besonders aufgefallen sind uns die Erholungs- und Entspannungsbereiche in allen Bibliotheken. Dabei haben uns die Massagesessel und Hängematten in mit Vorhängen abgeschirmten Bereichen sowie der Glasraum mit einer Tischtennisplatte und einem Boxsack an der Universitätsbibliothek in Aarhus besonders gut gefallen. An der DTU waren es die Gaming-Möglichkeiten mit Playstation und Monitor  sowie verschiedenste andere Maker-Space-Szenarien wie DIY-Nähstudios.

Ein Standardangebot aller besuchten Bibliotheken war die Möglichkeit für Besucher*innen sich warme Speisen zu kochen oder aufzuwärmen, Tee und Kaffee zuzubereiten und die Bereitstellung von Wasserspendern, um Wasserflaschen aufzufüllen.

Ursprünglicher Auslöser für die Idee den Austausch mit dänischen Bibliotheken zu suchen, waren die zahlreichen Aktivitäten der DTU Library im Feld User Experience. Auf diesem Gebiet war diese Bibliothek bereits vor der Pandemie sehr aktiv und hat ihr Engagement im Jahr 2022 mit neuem Schwung mit der Neubildung eines UX-Teams wieder aufgenommen. Das Leitprinzip der Arbeitsgruppe lautet: “Every time we want to change, we go out and test it.” Ein konkretes Beispiel dafür ist die partizipative Gestaltung des Frontends der Digitalisierungsplattform, die zusammen mit Nutzer*innen ausprobiert und basierend auf deren Rückmeldungen optimiert wurde. Die DTU Library sieht sich nicht mehr primär als traditionelle Bibliothek mit herkömmlichen Angeboten wie Lesesälen oder physischen Büchern. Stattdessen wird konsequent auf die Erfüllung von Bedarfen eingegangen.

Trotz der an allen dänischen Bibliotheken stark ausgeprägten Nutzerzentrierung wird an der CBS, der DTU und Det Kongelige Bibliotek jeweils nur eine Informationstheke besetzt. Die Prämisse “Users First” steht nicht im Widerspruch zur Abwesenheit von Bibliothekspersonal in den Benutzungsbereichen, wie beispielsweise bei der Besetzung der Informationstheke. Stattdessen wird auf vielfältige Weise aktiv die Interaktion mit den Nutzer*innen gesucht.

Was haben wir von der Reise für unsere Bibliotheken als Anregung mitgenommen? Der Fachaufenthalt in Dänemark gewährte tiefe Einblicke in die Praxis nutzerzentrierter Bibliotheksarbeit. Gefallen haben uns die einfachen, niedrigschwelligen Interaktionsangebote, z.B. die Idee der CBS, im Eingangsbereich eine Weltkarte aufzustellen und die Besucher*innen aufzufordern, ihren Herkunftsort zu markieren. Die Verteilung der Fähnchen auf dem Globus visualisiert die geografische und kulturelle Vielfalt der Studierenden sehr eindrücklich.

Die gewonnenen Erkenntnisse werden wir aktiv nutzen, um das Erlebnis unserer Nutzer*innen in den Bibliotheken der TU Berlin zu optimieren.

© UB TU Berlin, C. Giakoumelou

Dr. Anke Quast

© Michael Setzpfandt

Michaela Jobb

© Michael Setzpfandt

Anne Petit