„Das Berliner Mietshaus“ –

ein etwas anderes Digitalisierungsprojekt

Bereits in den 1980er Jahren erschienen, gilt „Das Berliner Mietshaus“ von Jonas Geist und Klaus Kürvers auch heute noch als DAS Standardwerk der Architekturgeschichte zum Thema Wohnen. Die Autoren denken in ihrer Forschung die Architekturtypologie neu, wenden sie akribisch und systematisch an und lassen gleichzeitig literarische, soziale, historische sowie ökonomische Aspekte einfließen. Neben der inhaltlichen Relevanz ist das in drei Bänden erschienene Werk auch von seiner Gestaltung her besonders und mit seinen ineinander verschränkten und miteinander in Verbindung gebrachten Informationsebenen eine Art Vorform des verlinkten Wissens, das in einer analogen Zeit eine Vorform digital verschalteten Wissens darstellt.

Die Werkentstehung ist zudem eng verknüpft mit der Hochschulgeschichte und steht für eine der ersten großen, wissenschaftlichen Forschungsarbeiten der 1975 gegründeten Hochschule der Künste. Zusammen mit weiteren Publikationen, Ausstellungen und Dokumentationen von Jonas Geist und Klaus Kürvers hat „Das Berliner Mietshaus“ auch heute noch einen sehr hohen Stellenwert für die Forschung und Lehre.

Die zahlreichen Illustrationen und Zeichnungen machen die drei Bände des Berliner Mietshauses zu einem Standardwerk der Forschungsliteratur.
Geist, Johann Friedrich / Kürvers, Klaus: Das Berliner Mietshaus. Band 1: 1740-1862. (1980). Johann Friedrich Geist / Klaus Kürvers (Hg.), Das Berliner Mietshaus. Band 2: 1862-1945. (1984), https://doi.org/10.25624/kuenste-2294 S. 343-344

Im Februar 2022 meldet sich Klaus Kürvers bei der Universitätsbibliothek (UB) der UdK Berlin und regte gerade wegen der großen Bedeutung die Digitalisierung des Werks an. Es beginnt ein zweijähriger Marathon, an dessen Ende die erfolgreiche Digitalisierung samt Veröffentlichung steht. Aber der Reihe nach.

Zuerst einmal müssen die Rechte geklärt werden und davon gibt es sehr viele zu beachten. Wie viele es tatsächlich sind und wie ihre Klärung jeweils angegangen werden kann, erarbeitet sich die Bibliothek Schritt für Schritt in enger Zusammenarbeit mit den Juristen vom legal helpdesk des Konsortiums NFDI4Culture. Schon kurz nach der Anfrage beginnt die UB die Rechteklärung mit dem Prestel-Verlag, der von Anfang an überaus kooperativ ist und eine Einräumung einfacher Nutzungsrechte für die digitale Zweitveröffentlichung in Aussicht stellt. Schnell wird klar, dass der Verlag nur die Nutzungsrechte für die Texte, nicht aber für die zahlreichen Abbildungen von zahlreichen Urheber*innen einräumen kann.

Von der drohenden individuellen Rechteklärung mit allen einzelnen Urheber*innen der zahlreichen Abbildungen etwas ernüchtert, sucht die Bibliothek erneut Hilfe beim legal helpdesk und dort kommt es zur vielleicht wichtigsten Klärung: der Einstufung des Werks als nicht verfügbar. Nicht verfügbare Werke unterliegen laut Urheberrecht genauen Regelungen zur Rechteeinholung und so kann in diesen Fällen eine Verwertungsgesellschaft repräsentativ für die Rechteinhaber*innen stehen. Die Verhandlung mit einem repräsentativen Partner, in diesem Fall der VG Bildkunst, ist machbar, dauert aber letztlich auch fast eineinhalb Jahre. Parallel laufen die Arbeiten an der Vereinbarung mit dem Verlag weiter, die nach grundsätzlicher Klärung des mit der VG Bildkunst anvisierten Verfahrens bereits im Frühjahr 2023 abgeschlossen sind.

Geist, Johann Friedrich / Kürvers, Klaus: Das Berliner Mietshaus. 3 Bände. München: Prestel Verlag, 1980–1989.

Zusammen mit den vergleichsweise einfach zu erlangenden Autorenrechten ist es nach zwei Jahren endlich geschafft. Die Rechte sind geklärt, die Digitalisierung kann losgehen. In mehr als drei Wochen intensiver Scanarbeit werden insgesamt 1.785 Seiten im PDF-Format erzeugt und dann über den UdK-Dokumentenserver veröffentlicht. Mit anstehendem Ausbau der digitalen Infrastruktur wird die Bibliothek noch ausstehende Arbeiten wie eine Texterkennung via OCR nachholen.

Fast 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung hat „Das Berliner Mietshaus“ endlich eine digitale und vor allem frei zugängliche Form gefunden – und die Bibliothek wie die gesamte Community um zahlreiche Erfahrungen sowie neue Lösungswege bereichert.

Geist, Johann Friedrich / Kürvers, Klaus: Das Berliner Mietshaus. 3 Bände. München: Prestel Verlag, 1980–1989.

© Jens Ahner

Friederike Kramer